Nachdem er vom US-Präsidenten Trump begnadigt wurde und sich sein persönliches Schicksal dramatisch gewendet hat, hat Binance-Gründer Zhao Changpeng (CZ) kürzlich erstmals ein ausführliches Gruppeninterview gegeben. Darin teilte er nicht nur seine kühne Prognose einer 40 Billionen US-Dollar schweren Zukunft für die Kryptoindustrie, sondern sprach auch selten offen über seine bewegte innere Reise und seine einzigartige Lebensphilosophie. Das Interview zeichnet ein komplexes Bild, in dem Branchenevolution, Unternehmensstrategie und persönliche Überzeugungen miteinander verwoben sind.
I. Zukunftsvision der Branche: Vom Durchbruch im Zahlungsverkehr zum Billionenmarkt
CZ ist der Ansicht, dass der wahre Durchbruch für Kryptowährungen im Alltag der Menschen im Zahlungsverkehr liegt. Er erinnert daran, dass das ursprüngliche Design des Bitcoin-Whitepapers ein „Peer-to-Peer-E-Cash-Zahlungssystem“ war, aber bis heute dominieren spekulative Finanzprodukte die Blockchain, während wirklich nutzbare Zahlungsanwendungen noch nicht weit verbreitet sind.
● Zentrale Herausforderungen und Lösungswege: Die Preisvolatilität ist das Hauptproblem, Stablecoins sind die theoretische Lösung. CZ sieht den realistischen Weg in der Integration mit traditionellen Zahlungsnetzwerken wie Visa und Mastercard, etwa nach dem „Binance Card“-Modell – Nutzer geben Krypto aus, Händler erhalten Fiatgeld. Er räumt ein, dass solche Geschäftsmodelle durch regulatorische Vorgaben ausgebremst wurden, hofft aber, dass sie in den kommenden Jahren wieder an Popularität gewinnen.
● Voraussetzungen für Mainstream-Adoption: CZ betont, dass die breite Akzeptanz ein langsamer Prozess sein wird. Ein klarer regulatorischer Rahmen ist die wichtigste Voraussetzung, doch weltweit gibt es nur wenige Länder mit vorausschauender Regulierung. Er hebt hervor, dass die tiefe Integration der Kryptoindustrie mit dem bestehenden Finanzsystem – und nicht deren Abspaltung – der beste Weg zur Massenadoption ist.
● Erstaunliche Marktprognose: Auf Basis dieser Anwendungsfälle wagt CZ eine kühne Prognose für die Branche. Er stellt fest, dass die gesamte Marktkapitalisierung von Kryptowährungen derzeit nur etwa 3-4 Billionen US-Dollar beträgt, in Zukunft aber mindestens 30-40 Billionen US-Dollar erreichen wird. Erst wenn großflächige Anwendungen wie Zahlungen Realität werden und mehr Finanzszenarien auf die Blockchain migrieren, sei die Branche „gerade erst am Anfang“.
II. Der Weg von Person und Unternehmen: Von dezentralen Idealen zur regulatorischen Realität
Rückblickend beschreibt CZ die Gründungsgeschichte von Binance als eine Reise voller wiederholter Experimente und Anpassungen. Dieses „Trial-and-Error“ spiegelt sich nicht nur in der Geschäftsstrategie wider, sondern auch im grundlegenden Spannungsfeld zwischen Ideal und Realität in der Kryptoindustrie.
● Abweichung zwischen Vision und Realität: Bei der Gründung von Binance war CZs Ziel, innerhalb von drei Jahren zu den Top Ten weltweit zu gehören – tatsächlich wurde Binance nach fünf Monaten bereits die Nummer eins, weit über den Erwartungen. In Bezug auf die Unternehmensstruktur gab es mehrere Richtungswechsel: Ursprünglich war ein physischer Hauptsitz geplant, dann wurde auf vollständige Dezentralisierung (ohne Hauptsitz) umgestellt, schließlich erfolgte aufgrund regulatorischer Anforderungen die erneute Anpassung hin zu einer zentralisierten Börse mit „Lizenz, Regulierung und klarem Hauptsitz“.
● Das Bild der neuen Gründer-Generation: Mit Blick auf den kommenden Zyklus glaubt CZ, dass sich produktgetriebene Gründer durchsetzen werden. Sie konzentrieren sich auf den Aufbau alltagstauglicher Produkte und auf die Nutzer, nicht auf Markthype. Da die Branche starken Schwankungen und zyklischen regulatorischen Veränderungen unterliegt, können nur Gründer, die Schwankungen nicht fürchten und langfristig durchhalten, überleben.
● Ansicht zum DAT-Modell: Zum von MicroStrategy geführten Modell börsennotierter Unternehmen, die digitale Vermögenswerte (DAT) halten, meint CZ, dass dessen Grundlogik stimmig ist und es traditionellen Unternehmen einen effektiven Zugang zu Krypto bietet. Dieses Modell werde Bestand haben. Er warnt jedoch, dass DAT-Modelle mit möglichst niedrigen Verwaltungsgebühren und einfacher Struktur am besten sind; sobald aktiv in einen Korb von Assets investiert wird, handelt es sich um ein anderes, stärker vom Management abhängiges Geschäftsfeld.
III. Strategische Neuausrichtung: Die USA als „Emerging Market“ und gemeinnütziges Engagement
Die Begnadigung durch Trump markiert einen Wendepunkt im Leben von CZ und verändert auch die strategische Position von Binance in den USA. Gleichzeitig hat sich sein persönlicher Karrierefokus deutlich verschoben.
● USA: Vom Rückzug zur Rückkehr als „Emerging Market“: CZ gibt offen zu, dass das Verhältnis zwischen Binance und den USA während der Biden-Regierung angespannt war und das Geschäft stark zurückging. So fiel der Marktanteil von Binance von 35 % im Jahr 2023 auf einstellige Werte. Nach der Begnadigung „öffnete sich die Lage wieder“, und er betrachtet die USA nun als einen „Emerging Market“, der neu erschlossen werden muss. Er äußert den starken Wunsch, den USA zu helfen, zum „globalen Krypto-Zentrum“ zu werden, plant, hochwertige Kryptogeschäfte zurück in die USA zu bringen und lokalen institutionellen Investoren Zugang zum BNB-Ökosystem zu verschaffen. Gleichzeitig stellt er klar, dass es derzeit keine geschäftliche Zusammenarbeit mit der Trump-Familie gibt.
● Volles Engagement für Bildung und Gemeinnützigkeit: Giggle Academy: CZ investiert derzeit viel Energie in die vollständig gemeinnützige, kostenlose Bildungsplattform „Giggle Academy“. Das Projekt zählt bereits etwa 88.000 Kinder als Nutzer, wöchentlich kommen Tausende hinzu. Es bietet rund 300 Kurse und Tausende von KI-übersetzten Geschichtenbüchern. Die anfängliche Finanzierung kam von CZ persönlich, später spendete die Community über einen zugehörigen Meme-Coin etwa 11 Millionen US-Dollar.
● Gelassenheit beim Führungswechsel: Im Hinblick auf seinen Rücktritt als Binance-CEO verrät CZ, dass er in der Nacht der Bekanntgabe um vier Uhr morgens unter Tränen einen Abschiedsbrief schrieb. Heute sieht er das Leben als einen Weg nach vorne, das Unternehmen läuft unter der neuen Führung (He Yi) gut, und häufige, gesunde Führungswechsel sind langfristig vorteilhaft für das Unternehmen.
IV. Lebensphilosophie: Freude und Gelassenheit in der Unsicherheit finden
Nach extremen Höhen und Tiefen wie riesigen Geldstrafen, Gefängnis und Präsidentenbegnadigung hat CZ eine einzigartige Lebensphilosophie entwickelt, die er im Interview offen teilt.
● Unsicherheit annehmen: Auf die Frage, welche fünf Wünsche er an Gott hätte, antwortet CZ überraschend: Fünf seien zu viel, einer reiche völlig aus. Er gesteht, keine großen Ansprüche zu haben, denn gerade die Unvorhersehbarkeit mache das Leben spannend. Er vergleicht es mit einem Spiel: „Wenn man von Anfang an weiß, dass man gewinnt, macht es keinen Spaß. Nur ein Spiel, das Anstrengung, Vorsicht und Koordination erfordert, ist interessant.“
● Der einzige Wunsch: Sein einziger Wunsch: „Ich hoffe, dass alle gesund bleiben, und dass Gott mir nicht zu viele unglückliche Situationen schickt.“ Gesundheit sei das Wichtigste, aber nicht vollständig kontrollierbar. Er selbst sei bereits sehr glücklich und zufrieden.
● Psychologischer Schutz gegen Angriffe: Als Person, die ständig im Rampenlicht steht, hält CZ seine psychische Gesundheit mit einer einfachen, aber festen Methode aufrecht. Er unterscheidet zwei Arten von Online-Angriffen: Zum einen die Anti-Krypto-Erzählungen der Mainstream-Medien aus Angst vor neuer Technologie; zum anderen Investoren, die nach Verlusten auf der Plattform klagen. Für Letztere hat er Verständnis, meint aber, jeder müsse für seine Investitionen selbst Verantwortung tragen. Sein zentrales Glaubensbekenntnis, das ihm jede Nacht ruhigen Schlaf verschafft: „Ich weiß genau, dass niemand durch mein Handeln betrogen wurde und dass keine Nutzer durch uns ihr Vermögen verloren haben. Ich weiß, dass ich vielen Menschen helfe.“
V. Globale Bedeutung von Krypto und neue Kapitel der persönlichen Karriere
CZs Blick reicht weit über die Branche und sich selbst hinaus. Er erläutert ausführlich den besonderen Wert von Kryptowährungen für Entwicklungsländer und skizziert seine Pläne in den Bereichen Investment und Wohltätigkeit.
● Stärkung der Entwicklungsländer: CZ ist überzeugt, dass Krypto in Entwicklungsländern größere Chancen bietet und echte Probleme lösen kann:
○ Steigerung der finanziellen Effizienz: Er nennt das Beispiel einer Person, die früher drei Tage im Monat zu Fuß in die Stadt gehen musste, um Rechnungen zu bezahlen – mit Kryptowährungen dauert das nur noch drei Minuten.
○ Schutz vor Inflation: In vielen Ländern mit instabilen Fiatwährungen dienen Bitcoin und Stablecoins als effektive Absicherung.
○ Nutzung des demografischen Vorteils: Länder mit hohem Anteil junger Menschen (wie Pakistan mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren) sind neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen, die Krypto-Nachfrage ist dort naturgemäß hoch.
● Vermögenssicht und wohltätige Ausrichtung: CZ betrachtet Geld als Werkzeug, nicht als Hortungsobjekt. Sein derzeit größtes gesellschaftliches Anliegen ist Bildung, weshalb er hauptsächlich in die Giggle Academy investiert. Er prüft auch andere Projekte, etwa zur Wiederherstellung von Bodenmikroorganismen – Projekte, die sowohl Umweltvorteile als auch nachhaltige Geschäftsmodelle bieten. Sein Ideal für Wohltätigkeit ist, alles über die Blockchain abzuwickeln, um vollständige Transparenz und Nachverfolgbarkeit der Geldflüsse zu gewährleisten.
● Tägliche Gewohnheiten und Erfolgsgeheimnisse: CZ teilt zwei für ihn entscheidende Alltagsgewohnheiten:
○ Tägliches Lernen: In der Schule werden unternehmerische Fähigkeiten, emotionale Intelligenz und Finanzkompetenz nicht gelehrt – man muss sich selbstständig weiterbilden, offen bleiben und neue Chancen erkennen.
○ Fleiß und Gesundheit im Gleichgewicht: Unternehmertum ist körperlich fordernd, man muss in der Lage sein, unter Beibehaltung der Gesundheit intensiv zu arbeiten.
Am Ende des Interviews entwirft CZ seine ultimative Zukunftsvision: Eine Welt, in der niemand mehr über „Blockchain“ oder „Web3“ spricht – so wie heute niemand mehr das „TCP/IP“-Protokoll erwähnt. Die Basistechnologie verschwindet völlig im Hintergrund, die Menschen nutzen die Produkte einfach ganz selbstverständlich für Zahlungen oder Transaktionen. Dieses Bild ist sowohl seine Einschätzung des Endzustands der Branche als auch ein Hinweis darauf, dass er sich wünscht, dass seine persönliche Legende letztlich in den Produkten und Dienstleistungen aufgeht.
