SBF ist wieder online und sucht nach Freiheit

FTX-Gründer SBF sucht zwei Jahre nach seiner Verurteilung aktiv nach rechtlichen Berufungen und einer präsidentiellen Begnadigung, äußert sich in den sozialen Medien zu seiner Unschuld und macht den Zusammenbruch des Unternehmens für Insolvenzverwalter und Justizwillkür verantwortlich.

Verfasst von: Joel Khalili

Übersetzung: AididiaoJP, Foresight News

SBF schlägt zurück: Der FTX-Gründer sucht zwei Jahre nach seiner Verurteilung wegen Betrugs nach rechtlichen Berufungen und hat seine Social-Media-Konten wieder aktiviert.

Am 23. September 2024 meldete sich der in Ungnade gefallene FTX-Gründer nach über sechs Monaten Funkstille erstmals wieder auf seinem Social-Media-Konto zu Wort und postete schlicht „gm“ (Netzjargon für „Guten Morgen“). Seitdem wird das Konto regelmäßig aktualisiert.

Der weithin bekannte SBF verbüßt derzeit eine 25-jährige Haftstrafe in Kalifornien. Im November 2023 befand eine Jury des Southern District of New York ihn wegen sieben Fällen von Betrug und Verschwörung im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX für schuldig.

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung kündigte SBF an, Berufung einzulegen. Im Frühjahr dieses Jahres gab er im Gefängnis einigen wenigen Journalisten Interviews. Abgesehen davon war er weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Inzwischen hat sich die Aufmerksamkeit der Krypto-Branche anderen Themen zugewandt: der Einführung von Bitcoin-ETFs in den USA, dem Hype um meme coins, Diskussionen über nationale Bitcoin-Reserven und einem möglicherweise lockereren regulatorischen Umfeld unter Präsident Trump.

Seit September jedoch sorgt SBFs Social-Media-Konto erneut für Aufmerksamkeit (obwohl er im Gefängnis keinen Internetzugang hat und die Beiträge angeblich von Freunden gepostet werden). Diese Beiträge kritisieren die Insolvenzverwalter von FTX und widersprechen bestimmten Darstellungen zur finanziellen Lage beim Zusammenbruch von FTX, wobei SBF darauf besteht, dass Kundengelder nie verloren gingen, sondern lediglich in illiquiden Vermögenswerten feststeckten. SBF gab zudem ein Interview aus dem Gefängnis mit dem Magazin „Mother Jones“, in dem er im Oktober ähnliche Ansichten äußerte.

Seine Mutter, die Juraprofessorin Barbara Fried, hat kürzlich einen Substack-Newsletter gestartet. Der einzige im Oktober veröffentlichte Beitrag ist eine 65-seitige Abhandlung mit dem Titel „The Trial of Sam Bankman-Fried“, in der sie argumentiert, ihr Sohn habe weder Betrug begangen noch einen fairen Prozess erhalten.

Ein Sprecher von Bankman-Fried bestätigte, dass Barbara den Beitrag verfasst hat, erklärte jedoch, nichts über die Social-Media-Posts zu wissen und lehnte weitere Kommentare ab.

SBFs erneutes Auftreten scheint eine zweigleisige Strategie zur Freilassung zu verfolgen: formelle Berufung vor Gericht und gleichzeitige Suche nach öffentlicher Sympathie im Meinungsraum.

Ehemalige Staatsanwälte weisen darauf hin, dass die öffentliche Meinung zu SBF keinen Einfluss auf das Berufungsverfahren hat, wohl aber auf seine Bemühungen um eine Begnadigung durch Präsident Trump. Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar hat Trump bereits mehrere wegen Wirtschaftskriminalität verurteilte Krypto-Führungskräfte begnadigt.

Dies ist offensichtlich eine PR-Kampagne, so der ehemalige Staatsanwalt und heutige Partner der Kanzlei Pallas Partners, Joshua Naftalis. Es sei eine Strategie, die keine Lücken lasse.

Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte gegenüber „WIRED“, dass SBF bisher keinen formellen Antrag auf Begnadigung gestellt habe und dass man keine Spekulationen über sensible Themen wie Begnadigungen öffentlich kommentiere.

Kernargument der Berufung ist, dass die Jury im Prozess „nur eine Seite der Geschichte gesehen“ habe, da der vorsitzende Richter Lewis Kaplan Beweismittel, die die Anklage schwächen könnten, nicht zuließ.

In der Berufungsbegründung vom Januar schrieben SBFs Anwälte, der Richter habe in jeder Phase die Anklage bevorzugt, was zu einem schwerwiegend unfairen Prozess geführt habe: Das Bezirksgericht habe der Regierung erlaubt, falsche Anschuldigungen vorzubringen, der Jury entlastende Beweise vorenthalten und das Recht falsch angewendet, was im Wesentlichen zu einer Verurteilung geführt habe.

Am 4. November trug SBFs Anwältin Alexandra Shapiro (die auch die Berufungen von Sean „Diddy“ Combs und Unternehmerin Charlie Javice vertritt) diese Argumente vor einem Gremium des Berufungsgerichts des zweiten Bezirks vor. Berichten zufolge äußerten die Richter Zweifel an der Behauptung, SBF habe keinen fairen Prozess erhalten; einer bemerkte, dass die Kritik der Anwälte an Richter Kaplan umfangreicher sei als der Fall selbst.

Daniel Richman, Professor für Rechtswissenschaften an der Columbia University und ehemaliger Bundesstaatsanwalt, analysiert, dass die Anwälte nach professioneller Einschätzung die Kritik an der richterlichen Entscheidungsfreiheit als einen der wenigen gangbaren Berufungswege gewählt haben.

Naftalis und Richman warnen beide, dass die Kommentare der Richter während der mündlichen Verhandlung keine verlässliche Prognose für das Berufungsurteil zulassen. Im Allgemeinen ist die Erfolgsquote bei strafrechtlichen Berufungen ohnehin niedrig (etwa 5%-10%), und Berufungen, die sich gegen die richterliche Ermessensfreiheit richten, sind besonders schwer durchzusetzen.

Christopher LaVigne, Partner der Kanzlei Withers, sagt offen, dass es eine Überraschung wäre, wenn das Urteil aufgehoben würde.

Das Gericht kann jederzeit eine Entscheidung treffen. Ehemalige Staatsanwälte weisen darauf hin, dass es nach der mündlichen Verhandlung zwischen einem Monat und mehreren Jahren dauern kann, bis ein Urteil gefällt wird.

Im Prozess sagte ein Zeuge aus, SBF habe einmal erklärt, er sei bereit, durch Münzwurf zu entscheiden, ob er das Risiko eingehe, die Welt zu zerstören, wenn die Alternative darin bestünde, das Wohlergehen der Menschheit zu verdoppeln – kein Wunder, dass er jetzt auf mehrere Optionen setzt.

Nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus hat er bereits mehrere Krypto-Führungskräfte begnadigt, darunter Binance-Milliardär und Gründer Changpeng Zhao. Trump erklärte, er habe auf Empfehlung „vertrauenswürdiger Personen“ Zhaos Vorstrafen gelöscht und bezeichnete den Gründer als Opfer der krypto-feindlichen Biden-Regierung, der selbst kein Verbrechen begangen habe (Zhao hatte 2023 eingeräumt, keine wirksamen Maßnahmen gegen Geldwäsche ergriffen zu haben).

Laut der New York Times hat SBFs Familie im Frühjahr ihre Lobbyarbeit für eine Begnadigung verstärkt. Das Team glaubt, dass Trump, der sich selbst oft als Opfer von „lawfare“ bezeichnet, für das Narrativ empfänglich sein könnte, SBF sei von Staatsanwälten absichtlich zum Sündenbock gemacht worden.

Aktuelle Social-Media-Posts, Medieninterviews und die Kolumne seiner Mutter unterstützen diese Darstellung, bestehen auf SBFs Unschuld und machen den Zusammenbruch von FTX und die Verluste der Kunden gierigen Juristen verantwortlich, die von einem überstürzten Insolvenzverfahren profitiert hätten.

Eine Sprecherin der FTX-Insolvenzmasse, Maggie Carangelo, erklärte, alle Honorare für Fachleute seien von unabhängigen Prüfern überprüft und vom Gericht genehmigt worden.